Wie auch im Vorjahr nahm ich Ende 2013 am Chaos Communication Congress teil, der diesmal als 30c31 sein dreißigstes Jubiläum feierte.
Anders als im Vorjahr gab es diesmal kein Awareness-Team, von dem ich im 29c3-Artikel berichtet hatte2. Dazu fand, soweit ich es mitbekommen habe, keine größere Debatte statt – es hat eben niemand eins organisiert. Ob das beim nächsten Congress anders wird, bleibt abzuwarten, aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen.
Den 30c3 ausgemacht haben für mich vor allem folgende Punkte:
- Engel – Der Congress lebt davon, dass Freiwillige mithelfen und anpacken. Nachdem die Veranstaltung stark gewachsen ist und wohl etwa 8500 Besucher*innen hatte, vergrößerte sich glücklicherweise auch die Zahl der Engel: Es waren wohl über 1000, also etwa ein Achtel der Anwesenden; viele davon Neulinge, wie auf den Engel-Meetings deutlich wurde. Matecalypse an der Bar, und 1000 Nerds probierten zum ersten Mal Flora Power. Lightning Talks, bei denen ich spontan vorne auf der Bühne neben Nick Farr sitzen und die Zeit nehmen durfe. Sympathische Gespräche und gehackte Portale am Ausgang des CCH. Diesen Blickwinkel auf den Congress möchte ich nicht mehr missen.
- Assemblys – Selbstorganisierte Ansammlungen von Menschen und ihren Projekten, für die noch mehr Platz vorhanden war als im Vorjahr. Ansässig war ich beim „TabVillage && Katzennetzwerkende“, neu waren die QueerFeministGeeks, bei denen ich gern vorbeischaute, dann natürlich La Quadrature du Net mit Teegarten und Massage, und die netten Menschen und tollen Projekte beim Noisy Square… und viele weitere!
- Filterblasen – Es lief so vieles parallel, dass das Publikum stark davon abhing, auf welchem Teil des Congress man sich gerade aufhielt. Unter Freund*innen, an befreundeten Assemblys und in den feministischen Workshops fühlte ich mich dauerhaft wohl. Verließ ich diese Filterblase, waren die Erfahrungen unterschiedlich, von nett und freundlich bis hin zu anstrengend und frustrierend. Diese Erfahrungen spiegeln sich auch ein bisschen im weiteren Text, bei der Beschreibung der Workshops, wieder.
- Workshops – Ich war dieses Jahr in noch weniger Talks als auf dem 29c3. Die wichtigsten „fachlichen“ Dinge liefen für mich in kleinerem Rahmen, zum Beispiel in Workshops und in Diskussionen mit Menschen, die ich dort getroffen hatte.
Einige der für mich wichtigsten Workshops und ähnliche Veranstaltungen waren (in chronologischer Reihenfolge):
- Queer Geeks Gathering – Leider parallel zur Keynote, dennoch ein mit grob geschätzt 60-80 Leuten gut gefüllter Raum. Es gab eine kurze Vorstellungsrunde und dann eine Aufteilung in mehrere kleinere Gruppen, die zu bestimmten Themen diskutierten. In meiner ging es um Erfahrungen auf dem Congress, wobei auch Diskussionen über Policies und Creeperkarten nicht ausblieben und stellenweise ziemlich hitzig wurde. Fühlte sich allerdings insgesamt noch produktiv an, kein sinnloses Wir-schlagen-uns-die-Köpfe-ein. Sehr gut, dass das Treffen diesmal an Tag 1 war, so konnte man einige interessante Leute schon zu Anfang treffen.
- How to get the Hacker Ethic out there? – Es ging darum, ein Netzwerk aus Menschen aufzubauen, die ein Interesse an Didaktik haben und Wege suchen, Nicht-Nerds einen ethischen Weg des Umgangs mit Technik beizubringen. „Hacker-Ethik“ wurde hier kaum inhaltlich diskutiert, sondern es wurde versucht, sich auf die organisatorisch-pragmatische Ebene zu konzentrieren. Ich mag diesen Ansatz und denke, im zeitlichen Rahmen von einer Stunde ist es sinnvoller, die Leute erst einmal zu vernetzen, anstatt zu versuchen, unter 30 Fremden einen Konsens zu suchen, was „die Hacker-Ethik“, die man vermittelt, ist/sein sollte, um danach wieder auseinanderzugehen. Mir wurde wieder mal klar, dass die Moderation dafür hart durchgreifen muss, weil einige Nerds dazu tendieren, ewig off-topic abzuschweifen…
- Intersectional Feminist Queer Geek Roundtable and Discussion – In gewisser Weise eine Folgeveranstaltung zu den Queer Geeks an Tag 1, diesmal allerdings mit klarem Fokus: Es ging um Projekte, vor allem Nerd-Veranstaltungen und Räume, die sich an feministisch orientierte Menschen richten. „Ideology-based, not identity-based“, also offen für alle Menschen, die ein gewisses Set an Einstellungen und politischen Positionen teilen. Es wurden unter anderem feministische Hackerspaces vorgestellt, von denen in letzter Zeit wohl in den USA viele gegründet werden, etwa der Seattle Attic, der Double Union (San Francisco) und der Flux (Portland). Es wurden Gründe genannt, warum sich einige Menschen in der Community in existierenden Hackerspaces nicht wohl fühlen, und deswegen neue Räume gründen. Auch von feministischen Cryptopartys, die in Wien und Paris organisiert wurden, war die Rede, ebenso von Programierlerninitiativen wie der Open Tech School, die sogar einen Ableger in Berlin hat. Die anderen genannten Initiativen haben, soweit mir bekannt, bisher kein Berliner Äquivalent, aber wer weiß, vielleicht ändert sich das ja in naher Zukunft…?
- HowTo Host a Cryptoparty – Kurze Vorträge darüber, wie die Leute ihre Cryptoparties organisieren, was funktioniert, was nicht funktioniert… Der riesige Workshopraum war brechend voll, und die Ergebnisse sind in einem Pad gut dokumentiert. Allerdings konnte ich hier nicht allzu viel beitragen, und die allgemeine Erschöpfung nach einem Talk voller Workshops sowie die Ernüchterung, plötzlich wieder in einer Umgebung zu sein, in der von Frauen nur als „Der typische Dümmste Anzunehmende User“ die Rede war, brachten mich dazu, vorzeitig rauszugehen. Ziemlich anstrengend, sich auf den Inhalt zu konzentrieren, wenn ich gleichzeitig permanent mit dem Bauchgrummeln wegen blöder Stereotype zu kämpfen habe…
- Haecksen Breakfast – Dieses Mal leider ohne große Werbung, demzufolge leider mit eher geringer Beteiligung, gab es wieder ein Frühstück für Menschen mit Attribut „whatever you define as female“, oder so ähnlich. Ich finde es immer wieder schön, einige Stunden in einem derartigen Umfeld zu verbringen, auch wenn ich nicht bis zum Schluss bleiben konnte und die interessanten Themen wohl erst nach meinem Gehen aufkamen.
Ein sehr gelungener Congress, wie ich finde. Nicht alles rosig, aber viele positive Impulse.
Genug Motivation, um alles beim nächsten Mal noch viel toller werden zu lassen…